Wohin gehst Du?

veröffentlicht in The Writings of St. Maximilian Maria Kolbe Volume II von Nerbini International (2016)

Brieftasche, Kreditkarte, Bargeld
Wohin gehst du im Laufe deines Lebens? Jeden Tag, jede Stunde handelst du, denkst du, sagst du  immer etwas. Zu welchem Zweck? Die Wahrheit ist, dass du nach etwas strebst, entweder näher oder weiter weg. Und ihr strebt danach, weil ihr hofft, dass es euch einen Hauch von Glück bringen kann. Ein solches Streben nach Glück ist so natürlich, dass kein Mensch auf der Welt existiert, der sich nicht nach Glück sehnt. Allein aus diesem Grund horten die Menschen Geld, suchen Ruhm und Vergnügen, um Glück zu finden. Ist es nicht wahr, dass du an allen Orten und in allen Dingen auf dieser Erde immer nach Glück gesucht hast?
Doch nichts war in der Lage, deinem Herzen volle Freude zu bereiten. Du hast erkannt, dass du durch das Setzen deines Ziels auf irdisches Glück immer auf Enttäuschung gestoßen bist; du bist auf Grenzen gestoßen. Und du hättest dir etwas mehr (Gesundheit, Geld, Zufriedenheit) gewünscht, etwas Dauerhafteres. Hast du vielleicht nicht bemerkt, dass alle für einen bestimmten Zweck bestimmten Mittel begrenzt sind und dass ihre Grenze gerade darin liegt, dass sie auf einen bestimmten Zweck ausgerichtet sind? Die Mittel sind berechtigt, soweit sie zur Erreichung dieses Zwecks notwendig und ausreichend sind. Ebenso sind auch Waren kein Zweck, sondern ein Mittel, und man kann und sollte sie nur als solche nutzen. Wenn du sie dir also zum Ziel setzt, werden sie nie ausreichen.

Halte inne und denk darüber nach: Wann wirst du jemals ganz glücklich sein? Lass deiner Phantasie freien Lauf, um für dich die Burg des Glücks aufzubauen, von der du geträumt hast. Versuche, dir alles vorzustellen, was du jemals wolltest, und frage dich selbst: Was wäre, wenn es mehr wäre? Und wenn es länger dauerte? Du wirst immer die Antwort hören: Wenn du noch nach etwas Besserem streben kannst, d.h. wenn deine Seele immer noch nicht ganz zufrieden ist, hast du das Glück, deinen Zweck nicht erreicht. Und welche Grenze du noch überwinden musst, es wird immer ein Hindernis für vollkommenes Glück sein. Das bedeutet, dass du Glück begehrst, aber ein Glück ohne Grenzen: unendlich, ewig. Alles in dieser Welt ist begrenzt, so dass es nicht ausreichen würde, auch nur eine einzige Seele zu befriedigen. Und diejenigen, die sich nach Glück sehnen, sind so viele wie die Menschen, die unter der Sonne leben.

Wo liegt dann unser Ziel? In der Natur sehen wir, dass alle natürlichen Triebe zum Tragen kommen: das Auge will sehen und es tut es; das Ohr will hören und es kann; der Körper will genährt werden und es kann sein. Wie könnte der kühnste und wichtigste Wunsch der Seele, um dessentwillen wir alles Übrige begehren, unerfüllt bleiben? Nein, auch ein solches Verlangen hat seine eigene Erfüllung, nämlich den unendlichen und ewigen Gott.

Seifenblase, Frost, Schnee, Blase, Eiskristalle, Winter

In diesem Text geht es um die Frage danach, was im Leben wirklich glücklich macht. Es wird thematisiert, dass es viele Sachen im Leben gibt, die Bedürfnisse nicht befriedigen, sondern wieder neue Bedürfnisse aufleben lassen. Schau dir den Text noch mal an. Welche Lösung wird gegeben? Und was kannst du mit diesem Vorschlag oder diesem Gedanken anfangen? 

Im Späherziel finden wir folgende Formulierung: 

Wir wollen uns in allen Fertigkeiten üben, die Leib und Geist fördern, und durch eine naturverbundene Lebensweise, ohne Missbrauch von Rauschmitteln, die wahre Lebensfreude finden.

Die Frage nach dem konkreten Inhalt der wahren Lebensfreude ist schwer allgemein gültig zu beantworten, doch was ich persönlich interessant finde, ist der Kontrast, der hier zwischen Rauschmitteln und Freude hergestellt wird. Rauschmittel sind ein Mittel zum Zweck, doch die Verfasser des Späherziels wissen: Durch deren Benutzung können vielleicht Glücksgefühle – aber keine wahre Freude –  hervorgerufen werden. Sie sollen aufputschen, Schmerz und Sorgen lindern, die Wahrnehmung erweitern oder verändern – jede „Droge“ wirkt anders. Unter Rauschmitteln oder Drogen versteht man im Allgemeinen alle Substanzen, die das zentrale Nervensystem beeinflussen, d.h. auf die Psyche einwirken.

Dabei muss man beachten: Der Konsum von psychoaktiven Substanzen ist nur ein Teil dessen, was das Glücksgefühl hervorruft. Oft werden Rauschmittel zu besonderen Anlässen in heiterer Gesellschaft konsumiert. Dann verstärken sie das bereits vorhandene Glücksgefühl. Außerdem gibt es auch eine Vielzahl verbotener Drogen wie Heroin, Kokain oder Ecstasy, welche im Gehirn genau dort andocken, wo Glückshormone produziert werden. Allerdings ist der Konsum von Rauschmitteln jeglicher Art natürlich mit vielen Risiken und Nebenwirkungen verbunden, die nachhaltigen Schaden in Körper und Psyche hervorrufen!

Besonders problematisch ist ein Konsum von Rauschmitteln, die ein künstliches Glücksgefühl erzeugen, mit dem versucht wird, die eigenen negativ wahrgenommenen und belastenden Gefühle wie Stress, Trauer, Wut oder Enttäuschung zu verdrängen. Da man das Problem nicht bearbeitet und die negativen Gefühle dementsprechend nicht nachlassen, kann es dazu kommen, dass man immer weider zu den selben Mitteln greift. Auf diese Weise können Abhängigkeiten entstehen, die schwerwiegende Folgen in allen Bereichen des Lebens haben können.

Bei Betrachtung des Späherziels finde ich sehr interessant, dass an sich der Gebrauch von Rauschmitteln nicht verboten wird, sondern der Missbrauch. Nun lässt sich darüber streiten, ob diese Begriffe nicht synonym zu verwenden sind, da es sich beim Konsum von psychoaktiven Substanzen prinzipiell um Missbrauch handelt. Damit zusammen hängt in der Regel das eigene Verständnis von „Drogen“. Wo zieht man die Grenze? Gelten koffeinhaltige Getränke und Instudriezucker schon zu den Übeltätern? Sollte man „legale“ Rauschmittel wie Nikotin und Alkohol anders behandeln? Wie unterscheidet sich der Umgang bei uns im Bund und außerhalb der Pfadfinder? Da gehen die Positionen innerhalb der CPD auseinander. Die 1921 formulierten Neudietendorfer Grundsätze waren dort noch wesentlich klarer formuliert:

Wir wollen mitwirken im Jugendkampf gegen Schmutz und Schund, gegen Volkslaster und Unzucht. Wir wollen darum bei allen unseren Veranstaltungen uns des Alkohols und Rauchens enthalten und unermüdlich aufklären helfen über die volksverwüstenden Gefahren von Alkohol und Nikotin, mit dem Ziel, möglichst viele zum bewussten Kampf gegen diese Volksverderber zu führen.

Die Formulierung im heutigen Späherziel ist wesentlich weniger vehement. Doch ich denke, sie bringt auch mit wenigen Worten die Essenz auf den Punkt, obwohl es viel weiter gefasst ist als die Grundsätze von 1921. Ein Leben ohne jeglichen Missbrauch von allen Rauschmitteln soll angestrebt werden. Diese Formulierung lässt viel Raum für Interpretation. Im Grunde genommen stellt sich daher für jeden die Frage: Was ist für mich ein Rauschmittel? Heutzutage gibt es viele neue Produkte auf dem Markt, vor allem im Bereich der Technik. Psychische Abhängigkeiten können auch von Verhaltensmustern wie die Nutzung elektronischer Medien, Glückspielen, Sport oder Shoppen entstehen.

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Daher denke ich, ist es als Späher wichtig, den Blick nicht auf Alkohol und Nikotin zu beschränken, sondern sich sein ganzes „Konsumverhalten“ bewusst zu machen und dieses kritisch zu hinterfragen:

Wofür gebe ich Geld aus? Worein investiere ich meine Zeit?

Welche Gewohnheiten habe ich? Wie bewerte ich diese?

Gibt es etwas in meinem Leben, das ich tue, um mich besser zu fühlen, auch wenn es mir langfristig nicht gut tut?

Welche Sachen lenken mich im Leben vom Wesentlichen ab? Was ist wirklich wichtig im Leben?

Wie setze ich meine Prioritäten und was vernachlässige ich, obwohl es mehr Aufmerksamkeit verdient hätte?

Woran habe ich den Anspruch, dass es mich „glücklich machen“ soll?

Und wie kann ich die wahre Lebensfreude finden?