Gottesbild

Was steckt hinter dem biblischen Bilderverbot?

Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass mir irgendwann, als ich noch sehr klein war, im Kindergottesdienst gesagt wurde, dass ich Gott nicht malen darf. Jahrelang habe ich das nicht hinterfragt, sondern einfach so akzeptiert. Das biblische Bilderverbot kommt in den 10 Geboten zwei mal in den Büchern Mose (Exodus 20 und Deuteronomium 5) vor.

Luther übersetzt so: Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist: Bete sie nicht an und diene ihnen nicht! Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifernder Gott…“ Mit „oben im Himmel“ ist im Gegensatz zur Erde, wo die Schöpfung wohnt, der Bereich gemeint, wo Gott der Schöpfer wohnt.

Im Judentum wird dieses Gebot so wörtlich genommen, dass alle Abbildungen verboten sind. In Jerusalem gibt es sehr strenge Juden, die sich auch nicht fotographieren lassen. Im Christentum wird diese Stelle unterschiedlich ausgelegt: Die Katholische Kirche sowie die evangelischen Christen, die sich nach Luther richten, lesen die oben zitierten Verse zusammen. So richtet sich das Verbot gegen die kultische Verehrung von Götterbildnissen, aber verbietet nicht allgemein jede bildliche Darstellung von Gott. Bei reformierten Kirchen und im Islam besteht auch ein allgemeines Bilderverbot, obwohl das unterschiedlich handgehabt wird.

Warum soll man sich kein Bild von Gott machen?

Die evangelische Theologin Dorothee Sölle hat einen Aufsatz zu dem Thema veröffentlicht: „Ich bin meine Freiheit, die mir im Bild gestohlen wird“. Darin schreibt sie, dass wir heutzutage den Sinn hinter dem Gebot nicht mehr wirklich verstehen, weil es schwer ist zu erkennen, was dadurch geschützt wird. Sie erklärt, dass immer, wenn man sich ein Bild von etwas macht, von Gegenständen, von Menschen oder auch von Gott, man ein Unrecht begeht, weil man das – oder denjenigen auf dieses Bild reduziert. Wenn man sich ein Bild von Gott macht, besteht die Gefahr, dass man Gott auf dieses Bild reduziert und dem Ungreifbaren Element im Glauben damit nicht gerecht wird – oder auch das man dieses Bild zu einem Gott macht. In dem Zusammenhang spricht man auch von „Idolen“.

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Was ist die Grundlage für eine Arbeit mit Gottesbildern?

Um mit Kindern gemeinsam zu diesem Thema zu arbeiten, ist es zunächst notwendig seine eigene religiöse Sozialisation zu reflektieren. Dazu kann man zunächst eigene Ideen sammeln oder im Internet nach Bildern suchen: Welche Motive erinnern mich an Gott? Ein Ring, eine Taube, die Sonne, das Universum, ein Wald, ein Weg zwischen Feldern? Was sind meine spontanen Assoziationen? Welche Eigenschaften verkörpert dieses Bild? Was macht mein spezielles Gottesbild aus?

Grundsätzlich ist dann der nächste Schritt, sich darüber bewusst zu machen, woher diese Gottesbilder stammen: Wurden sie durch die Familie oder Menschen aus der Gemeinde, vielleicht auch durch den Freundeskreis vermittelt? Habe ich mich mit religiösen Texten selbst beschäftigt oder mit Vertretern unterschiedlicher Religionen gesprochen? Welche Erfahrungen habe ich, die mich beeinflussen?

Anschließend sollte eine Beschäftigung mit den biblischen Grundlagen für Gottesbilder erfolgen. Zentrale Fragestellung ist dabei: Wie wird Gott in verschiedenen Bibelpassagen beschrieben? Fallen dir Unterschiede – oder sogar Widersprüche – auf? Welches Bild wird entworfen und lassen sich diesen Eigenschaften Bildern zuordnen?

Falls du nicht weißt, wo du suchen sollst, hier sind ein paar Ideen:

Gen 26-28 • Ex 3, 1-15 • Ex 20,1-12 • Hos 11,1-3 • Ps 23 • Ps 139 • Ps 103 • Mt 6,5-15 • Mt 20,1-15 • Mk 14, 20b-41• Lk 15,11-32 • Kol 1, 9-21 • 1 Joh 4,7-21

Wie stellen sich Kinder Gott vor und warum sind Bilder wichtig für Kinder?

Kindliche Neugier erfordert Antworten. Für uns stellt sich daher die Frage nach dem Umgang mit Fragen wie: „Wie sieht Gott aus? Kann man Gott sehen? Gibt es Gott wirklich?“ Eine Antwort zu geben wird nur in Form von Zeichen und Symbolen möglich sein. Dadurch ermöglichen wir bereits Kindern, über „Gott“ zu reden, eine Vorstellung von Gott zu gewinnen, ihr Gottesbild mitzuteilen und ihre Gottesbezeichnung weiterzuentwickeln. Es ist wichtig, dass Kinder lernen, dass es eine Vielfalt von Vorstellungen von Gott gibt und diese nicht als richtig oder falsch zu bewerten sind.

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Wie entwickelt sich das Gottesbild von Kindern und Jugendlichen?

Wichtig zu beachten ist die wechselwirkende Beeinflussung von Gottesvorstellungen, Gottesbeziehung und der sonstigen Entwicklung eines Kindes. Prägend sind Erziehung und Sozialisation des Kindes.

Kinder (bis 12/13 Jahre) brauchen konkrete Bilder. Sie stellen sich Gott vor:

anthropomorph (menschenförmig):

alter Mann, weißer Bart, blaue Augen, Hände, weißes Gewand

räumlich:

oben im Himmel, sitzt auf einer Wolke, umgeben von Engeln

übermenschlich:

mächtig, unsichtbar, größer als die Welt, sieht und kann alles, kann zaubern (als gegeben angenommen)

als Schöpfer:

hat Himmel und Erde und den Menschen gemacht

als moralisch:

Gerechtigkeitsvorstellung (Bestrafung der Bösen, Belohnung der Guten), überwiegend als gütiges, freundliches wohlwollendes Wesen
(Durch religiöse Erziehung wird teilweise auch eine „Beeinflussbarkeit“ Gottes (Zusammenhang v. Wohlverhalten und Wohlergehen) vermittelt.

Jugendliche (ab 12/13 Jahren) haben die Möglichkeit des abstrakteren Denkens, welche zu kritischer Auseinandersetzung mit dem Elternbild führt. Der Zusammenhang zwischen Gottesbild und Gottesbezeichnung bricht auf. Durch die Beobachtung von weltlichem Geschehen und dem Widerspruch zum von Kinderglauben kann es zur kritischen Reflexion des Gottesbild führen. Diese wiederum zur Abkehr vom Glauben, zu einem distanzierten Verhältnis (Deismus statt Theismus) oder einer Veränderung des Gottesbildes bis zu einer stärkeren Gottesbeziehung führen. Die Bilder von Jugendlichen haben einen höherem symbolischen Gehalt.

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Worauf muss man in der Vermittlung von Gottesbildern achten?

Gefahr einer religiösen Erziehung ist, dass sich im Kind Fehlformen oder Zerrbilder von Gott bilden, die Angst erzeugen statt die Entwicklung zu fördern:

der Richter-Gott: herzloser Gerechtigkeitsfanatiker, der alles Tun akribisch aufschreibt, und am Ende zuschlägt

Buchhalter-Gott: Buchhalter, der dauernd aufschreibt und unsere guten und schlechten Taten zählt, verrechnet und am Ende bestraft oder belohnt

Todes-Gott: Bestrafung steht im Vordergrund, Gott will uns das Leben nehmen sondern

Leistungs-Gott: Unzufriedenheit Gottes mit den menschlichen Schwächen und Grenzen

Stattdessen sollte man mit und über Gott reden, als einen Freund, der Kinder in seine Arme nimmt und sie segnet. Jesus wendet sich ihnen im Neuen Testament auf besondere Weise zu. Außerdem ist er unser Anwalt, der unsere Schuld auf sich nimmt, damit wir uns mit Gott versöhnen können. Es handelt sich bei dem christlichen Gott um einen, der uns frei macht, um Fehler zu machen und uns immer wieder seine Vergebung schenkt. Es ist ein Gott, der uns bedingungslos liebt, der uns trotz unserer Fehler annimmt. Es ist ein Gott des Lebens, der uns Kraft und Mut gibt.

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Wie kann man konkret mit Kindern zu Gottesbildern arbeiten?

Kinder sollen in Einzelarbeit Gott entsprechend ihrer Vorstellung malen, danach findet ein Gespräch über die entstandenen Bilder statt.

Gottesnamen aus der Bibel kennenlernen und ihre Bedeutung verstehen:

Fels (Ps 18,3), Burg (Ps 18,3), Retter (Ps 18,3), Licht (Ps 27,1), Heil (Ps 27,1), Hirte (Ps 23,1), Schöpfer, Sonne (Ps 84,12), Schild (Ps 84,12), König (Ps 47,9)

z.B. Lückentexte/Rätsel zu Gottesbezeichnungen:
Ein…ist stark und mächtig (König). Ein guter…sorgt für seine Kinder und liebt sie (Vater). Die…wärmt alles und macht alles hell (Sonne).

Arbeit mit Geschichten, die etwas über Gottesbilder aussagen (könnten)

z.B. „Fisch ist Fisch“ v. Leo Lionni: Ein Fisch stellt sich alle Lebewesen als Fisch vor und hat dann die Erkenntnis, dass jeder sich nur das Bildliche vorstellen kann, was er selbst kennt oder erfahren hat.

Thematisierung des Gottesnamen JHWH („Jahwe“) in seiner Bedeutung „Ich bin (für euch) da“ als Zusage und Verheißung

z.B. Zentrierung auf den Begriff „Sonne“: Arbeit mit der Geschichte „Die Sonne scheint immer“ (Renate Schupp) mit dem Transfer „Gott ist immer da, auch wenn man ihn nicht sieht“, Notwendigkeit der Sonne  für das Leben

Arbeit mit Liedern, die eine sehr bildhafte Sprache verwenden

z.B. „Wenn ich Vater sage“

Arbeit mit Büchern

z.B. „Hallo Mister Gott, hier spricht Anna“ (Fynn)

Wichtig:

Den Kindern muss bewusst gemacht werden,
dass Gott nicht in Bildern oder Sprache erfasst werden kann, sondern jedes Bild immer nur ein Teil von Gott erfassen kann.
dass es nichts falsch machen kann bei der Aufgabe, sondern einfach seine eigenen Vorstellungen einbringen soll.
dass es auf jeden Fall wertgeschätzt und sein Gottesbild respektiert wird – auch ein „Ich glaube nicht an Gott“.

ANHANG: Beispielmaterial

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Aus „Hallo Mister Gott, hier spricht Anna“

Wenn du ein Kind bist, dann verstehst du alles: Mister Gott sitzt auf einem goldenen Thron; er hat einen langen weißen Bart und einen Schnurrbart und eine Krone hat er auf dem Kopf. Und alle um ihn rum singen die ganze Zeit wie die Verrückten. Immerzu Hymnen und so Zeug. Kein Mensch kann das aushalten. Und Mister Gott macht einfach alles, wenn man bloß nett genug darum bittet. Er kann Willy nebenan eine Warze auf die Nase machen zur Strafe, weil er Millie verhaut. All so was macht er ganz fabelhaft, und darum ist er so wichtig, und man benützt ihn die ganze Zeit. Und ‘n bisschen später, dann denkt man ganz was anderes, und Mister Gott ist immer schwieriger zu verstehen. Aber es geht noch gerade. Dann kommt einem plötzlich vor, als wenn er uns nicht mehr verstehen will. Jetzt hört er einfach nicht mehr zu. Er sieht es plötzlich nicht ein, dass man unbedingt ein neues Fahrrad braucht. Und dann kriegt man auch keins. Und dann versteht man ihn schon viel weniger. Und wenn man noch älter wird, so wie ich oder so wie du, Fynn, dann ist es schon wieder schwieriger. Und dabei wird er irgendwie kleiner. Und man versteht ihn nur noch so viel wie viele andere Sachen, die auch schwierig sind. Die ganze Zeit in deinem Leben bröckeln da Stücke von ihm ab. Und dann kommt der Punkt, da sagst du, du verstehst ihn überhaupt nicht mehr. Siehst du, und dann ist er wieder ganz ganz ganz groß. So groß, wie er in Wirklichkeit ist. Und wumm, da lacht er dich aus, weil du so blöd warst.“